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Ist Selbstliebe egoistisch?


Hast du ein ungutes Gefühl, wenn du das Wort „Selbstliebe“ hörst? Viele Menschen denken dabei an Egoismus oder Selbstverliebtheit. Ich persönlich verstehe unter Selbstliebe volle Akzeptanz und Wertschätzung der eigenen Person mit allen meinen guten und weniger guten Seiten. Wenn ich mich mit den Augen der Liebe betrachte, dann kann ich auch wohlwollend auf meine Schwächen und Fehler sehen, ohne mich gleich dafür zu kritisieren oder zu schämen. Wenn ich mich mit den Augen der Liebe betrachte, dann kann ich zu mir sagen: „Ich sehe meine Unvollkommenheit und Makel, ich sehe meine Schwächen, ich sehe meine mollige Figur, ich weiß um meine Macken … dennoch nehme ich mich so an, wie ich bin.“


Wenn wir einen anderen Menschen lieben, lieben wir ihn nicht, weil er perfekt ist, sondern wir lieben ihn, weil uns seine Persönlichkeit anspricht.

Menschen, die sich selbst lieben, blenden ihre Fehler und Schwächen nicht aus, sondern sie nehmen sich mit all ihren Facetten an. Das zu lernen ist ein sehr langer Prozess der Selbstreflexion, des sich Verzeihens und sich Erlaubens und dem Bemühen, sorgsam mit sich selbst umzugehen.


Wenn du dich selbst liebevoll mit all deinen Fehlern und Schwächen annehmen kannst, dann kannst du auch andere Menschen mit deren Fehlern und Schwächen liebevoller annehmen. Wenn du im Frieden mit dir selbst bist, dann kannst du auch im Frieden mit anderen Menschen leben. Wenn du dich selbst liebst, dann kannst du deine Liebe auch anderen Menschen schenken.


Je mehr ich mich selbst zu lieben begann, desto mehr wurde ich mir über meine wahre Größe und Stärke bewusst.


Mit 20 war ich noch abhängig vom Zuspruch und der Meinung anderer. Ich habe zu Sachen „Ja“ gesagt, obwohl ich innerlich ein „Nein“ spürte. Ich habe mich angepasst und traute mich nicht zu widersprechen – aus Angst dann nicht mehr geliebt zu werden. „Vermeintliche“ Freunde nutzten mich aus und ich ließ mich ausnützen.


Mit 30 war ich immer noch bemüht eine liebevolle Ehefrau und Mutter zu sein und habe dabei völlig auf meine eigenen Bedürfnisse vergessen. Es wäre mir egoistisch vorgekommen, meine Wünsche auszuleben. Noch immer waren Glaubenssätze aus der Kindheit präsent: „Du musst …!“, „Du darfst nicht …!“, „Du sollst …!“ „Was werden die anderen denken, wenn du …?“


Mit 40 wollte ich gut in meinem Job sein, habe andere Menschen unterstützt und für sie gut gesorgt, aber ich habe mich nicht gut um mich selbst gekümmert. Ich habe versucht 100% zu geben und habe mich dabei verausgabt. Ich habe Ausbildung um Ausbildung besucht, um an meinen Strategien für ein erfolgreiches Leben zu arbeiten, habe aber noch immer nicht in mich hineingehört: „Wer bin ich und wer möchte ich sein?“ Mein Körper hat bereits „Aua“ geschrien. Ein Burnout und Rückenprobleme haben mich dann langsam aufgeweckt.


Mit 50 habe ich erkannt, dass ich physisch und psychisch besser auf mich achten muss, um meine Gesundheit auf allen Ebenen so gut als möglich wieder zu erlangen. Ich habe angefangen zu fragen, was mir wichtig im Leben ist, und wie ich das umsetzen könnte.


Heute mit 60 weiß ich um meine Stärken, Fähigkeiten und Potentiale und gehe milde mit meinen Fehlern und Schwächen um. Ich heiße negative Emotionen und Anteile meiner Persönlichkeit willkommen, akzeptiere sie und versuche sie dann zu wandeln.


Erst über die Selbstakzeptanz kann Veränderung eingeleitet werden. Und für diese Selbstakzeptanz war meine Selbstliebe notwendig. Und ich weiß, dass noch mehr drinnen ist!


Was ich mit 70 bin ich, weiß ich ganz gut. Ich habe klare Ziele vor Augen und versuche mich in diese Richtung hin weiterzuentwickeln.

Zurückblickend kann ich sagen, meine Entwicklung war wie jene eines Schmetterlings …


Wer sich selbst liebt, hat alles, was er braucht, und verwechselt Brauchen nicht mit Lieben. Wer sich selbst liebt, wer sich gefunden hat und lebt, wer er selbst ist, der macht nicht nur sich, sondern auch allen anderen Menschen das größte und schönste Geschenk. Selbstliebe ist unsere größte Aufgabe im Leben.

Selbstliebe und -akzeptanz sind erstrebenswert, weil sie zu einem gesunden Selbstbewusstsein beitragen. Wenn es aber um die Umsetzung der Selbstliebe im Alltag geht, verfallen wir schnell in alte Ängste und Verhaltensweisen. „Wenn ich zuerst dafür sorge, dass es mir gut geht – ist das nicht egoistisch?“


Sicherlich bist du schon einmal geflogen. Sobald beim Abflug die Sicherheitshinweise vorgetragen werden, kommt der immer gleichlautende Satz: „Im Falle eines plötzlichen Druckverlustes in der Kabine legen Sie zuerst Ihre eigene Sauerstoffmaske an, bevor Sie Ihren Mitreisenden helfen.“ Ist das egoistisch?


Nein, es ist nicht egoistisch, sondern logisch. Im halb erstickten Zustand kannst du niemandem wirklich helfen. Genauso verhält es sich in den restlichen Lebensbereichen. Deine Selbstliebe ist wie eine Sauerstoffmaske, die es dir überhaupt erst möglich macht, für andere da zu sein – und hat somit auch kein Egoismus-Potenzial. Einem Egoisten fehlt der Rückhalt der eigenen Fürsorge, daher braucht er ständig Bestätigung von allen anderen, hat aber keine Ressourcen, um etwas zurückzugeben.


Selbstliebe befähigt uns zu Empathie und sozialem Handeln, während Egoismus andere Menschen bewusst ausschließt und das eigene Ego über alle anderen hebt.


Menschen, die sich selbst lieben, akzeptieren sich selbst – mit all ihren Schwächen und Fehlern. Deshalb fällt es ihnen leicht, sich in andere hineinzuversetzen und deren Schwächen zu tolerieren. Sie leben rücksichtsvoll - sich selbst und ihrem Umfeld gegenüber. So wie sie um ihre Schwächen wissen, kennen sie auch ihre Stärken – und nutzen diese gern, um anderen Menschen zu helfen. Bekommen sie Aufmerksamkeit von anderen, behandeln sie diese wie ein Geschenk. Ihr Selbstwert bleibt bestehen, unabhängig von äußeren Faktoren.


Egoisten sind kaum fähig zur Empathie, da sie ständig nur auf sich selbst achten. Rücksicht kennen sie nur in einem Sinne: sich selbst den Rücken freihalten. Ob das auf Kosten anderer geht, ist ihnen egal. Deshalb nutzt sie andere Menschen gern aus, wenn ihnen selbst daraus Vorteile entstehen. Das gilt auch für Liebe und Aufmerksamkeit, die sie häufig von Menschen einfordern. Für die Egoisten sind Statussymbole, an denen sie ihr eigenes Selbstwertgefühl messen kann, sehr wichtig.


Nicht zu viel, sondern zu wenig Selbstfürsorge kann also der Grund für egoistische Züge sein. Wenn man sich nicht wirklich akzeptiert, schaltet das Ego in den Selbsterhaltungstrieb und fokussiert umso mehr auf das eigene Ich.


Egoistisch zu sein gilt häufig als etwas Verwerfliches und Negatives. Deshalb sagen wir häufig „ja“, auch wenn wir „nein“ sagen wollen, stecken zurück, geben klein bei, reden und handeln gegen unsere Überzeugung und passen uns an.

Aber auch wenn wir uns scheinbar so selbstlos verhalten, indem wir es anderen recht machen, sind wir egoistisch. Wir wollen dann möglicherweise durch unser „selbstloses“ Verhalten erreichen, dass der andere weiterhin gut auf uns zu sprechen ist. Wir haben Angst, unser Ansehen könnte leiden oder der andere könnte sich von uns abwenden. Wir richten uns also nicht dem anderen zuliebe nach ihm, sondern um unserer selbst willen. Das ist egoistisch. Wenn wir keine Angst hätten, unser Ansehen zu verlieren, dann würden wir das tun, was wir für richtig halten.



Jeder Mensch ist egoistisch

An sich selbst zu glauben und das Leben zu führen, das man führen will, ist eine Form von gesundem Egoismus. Schädlich oder ungesund ist ein Verhalten nur dann, wenn man andere Menschen missbraucht und um des eigenen Vorteils willen ausnutzt.


Wenn wir das tun und sagen, was wir für richtig halten, und von unserem Recht Gebrauch machen, das Leben zu führen, das wir führen wollen, ohne damit einem anderen zu schaden oder ihn auszunutzen, dann sind wir nicht egoistisch im negativen Sinne. Fortschritt ist nur möglich, wenn es Menschen gibt, die tun, was sie für richtig halten, auch wenn sie dabei auf Kritik stoßen.



Selbstlosigkeit

Selbstlosigkeit wird häufig als etwas sehr Soziales, ja fast Edles bewertet. Selbstlos sein bedeutet, dass man die Bedürfnisse der Menschen um sich herum über seine eigenen stellt. In besonderen Situationen ist das sicher wichtig. Wenn z.B. jemand in eine Krise rutscht, Hilfe in einer Notsituation braucht oder wenn jemand mit einer Krankheit überfordert ist. Dann ist Unterstützung angesagt! Für die Zeit der Krise und zeitenweise bei Bedarf auch begleitend danach. Das Dasein für andere sollte aber nicht dazu führen, dass man dabei auf sich vergisst und im Leid der anderen aufgeht. Denke daran: Wer gänzlich selbstlos handelt wird auch sein eigenes Selbst los. Das sich voll und ganz beziehen auf andere Menschen lässt die Beziehung zu dir selbst verkümmern.


Altruismus

Geschaffen wurde die Bezeichnung von dem französischen Philosophen Auguste Comte (1798-1857). Comte beabsichtigte, mit ihr einen Gegenbegriff zum Egoismus zu schaffen.

Als Ursprung der Bezeichnung Altruismus gilt der lateinische Begriff „alter“, der übersetzt „der Andere“ bedeutet.

Altruismus ist die bewusste, absichtliche und freiwillige Verhaltensweise, etwas für jemand anderen zu tun, ohne selbst einen Nutzen davon zu erwarten. Man handelt ohne Hintergedanken oder eigene Erwartungen an eine Gegenleistung.

Auch hier sehe ich für die Gesellschaft einen großen Gewinn, wenn Menschen altruistisch handeln. Ärzte ohne Grenzen und freiwillige Rot-Kreuz-Mitarbeiter sind ein gutes Beispiel dafür. Aber auch diese Menschen haben zeitlich begrenzte Einsätze und nehmen danach wieder ihr gewohntes Leben auf.

Wir dürfen alles leben: Selbstliebe, eine gesunde Form von Egoismus und Altruismus. Wichtig ist das Bewusstsein, Warum wir etwas machen und eine bewusste Entscheidung, ein bewusstes und aufrichtiges „JA“ zu unserem Handeln.


In allen Menschen stecken sowohl altruistische als auch egoistische Anteile.

Als kognitive Wesen, die sich bewusst für oder eben gegen bestimmte Verhaltensweisen entscheiden können, haben wir aber immer die Wahl, wie wir uns verhalten wollen.


Deine erste Pflicht ist es, dich glücklich zu machen.

Ludwig Feuerbach





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